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Nahezu unerforscht, gehört die antike Landschaft Kibyratis im südwestlichen Kleinasien zu den interessantesten Forschungsgebieten in der Türkei, liegt sie doch im politischen und kulturellen Spannungsfeld zahlreicher Völker wie der Lyder, Lykier, Phryger, Pisidier oder Karer.

 

 

 

DAS KIBYRATIS-PROJEKT


gefördert durch die

Aufbauend auf den langjährigen, originär epigraphischen Forschungen von Thomas Corsten wird seit 2008 in der Kibyratis ein interdisziplinäres Feldforschungsprojekt durchgeführt, das der Untersuchung der regionalen Siedlungsstrukturen und materiellen Kultur dient. Das von der Gerda Henkel Stiftung von Beginn an unterstützte Projekt ist eine Kooperation des Instituts für Klassische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Instituts für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik der Universität Wien und steht unter der Leitung von Dr. Oliver Hülden und Univ. Prof. Dr. Thomas Corsten.

Das nach der antiken Stadt Kibyra bezeichnete Forschungsgebiet umfasst in etwa den westlichen Teil der Provinz Burdur in der Südwesttürkei. Vom chronologischen Standpunkt aus erscheinen Umbruchzeiten innerhalb der historischen Entwicklung von besonderem Interesse. Dies betrifft etwa die Integration der Region in das lydische Reichsgefüge und in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. in das persische Großreich. Besondere Aufmerksamkeit verdienen ebenso das wahrscheinliche Ausgreifen des ostlykischen Dynasten Perikle von Limyra in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. und anschließend der wachsende politische Einfluss der Hekatomniden in der Region wie auch die erst im (späten?) 3. Jahrhundert v. Chr. offenbar von Pisidern initiierte Gründung von Kibyra (vgl. Strabon 13, 4, 17). Darüber hinaus bildet die Eingliederung der Kibyratis in das Imperium Romanum im 1. Jahrhundert v. Chr. einen weiteren Forschungsschwerpunkt.


Nach einer Vorkampagne im Jahr 2008 wurden drei bereits sporadisch bekannte, zuvor aber niemals detailliert erforschte größere Fundplätze innerhalb des Forschungsgebiets ausgewählt und umfassend dokumentiert. Daneben erfolgten intensive Begehungen ihres Umlandes (Video).


„Alt-Kibyra“, die laut Strabon lydische Vorgängersiedlung von Kibyra kann mittlerweile auf der ca. 10 km entfernten Halbinsel am Gölhisar Gölü mit ihrer weitläufigen Nekropole und einem dicht besiedelten Umland identifiziert werden. Spektakuläre Funde der archaischen Zeit sind das Fragment einer Raubvogelskulptur aus Kalkstein, der Kopf einer zu einem Gespann gehörenden Pferdestatuette aus Terrakotta und tönerne Verkleidungsplatten, die auf die Existenz eines nicht unbedeutenden Heiligtums hinweisen.

Die Datierung der annähernd kreisrunden Gipfelbefestigung von Karamanlı ist bislang nicht bekannt. Sie liegt ungefähr im Zentrum des Forschungsgebiets auf einem als Kale Tepe bezeichneten Hügel, der durch moderne Steinbruchtätigkeiten bereits in weiten Teilen abgetragen worden ist. Vielleicht stand die Befestigung in Beziehung zu der am Fuß des Hügels gelegenen, aus Inschriften bekannten hellenistisch-kaiserzeitlichen Siedlung Alassos, die vom modernen Dorf Karamanlı überbaut wurde.

 Im Zuge von Umland-Begehungen sind südwestlich von Karamanlı nahe Tefenni zwei schon länger bekannte kaiserzeitliche Felsheiligtümer des lokalen Reitergottes Herakles-Kakasbos bzw. der Dioskuren erneut untersucht worden. Dabei sind insgesamt 14 neue Felsreliefs, darunter ein recht eigentümliches Dioskurenrelief entdeckt worden.

Im Norden des Forschungsgebietes ist am Salda Gölü bei Yeşilova ein befestigtes Gipfelplateau gelegen. Die in die archaische Zeit zu datierende Anlage war bislang nahezu unbekannt und weist eine sehr ungewöhnliche Gestalt auf. Das gesamte Plateau ist von einem massiven Mauerring eingefasst. An seinem nördlichen Ende befindet sich ein besonders geschützter Burgbereich. Südöstlich des großen Mauerrings ist das Plateau zusätzlich durch eine ca. 800 m lange Sperrmauer befestigt.

In diesem Gebiet wurde 2011 eine weitere spektakuläre Entdeckung gemacht. Ein zwar schon von seiner Lage her bekanntes Felsgrab mit dem Relief eines Löwen konnte als archaisch erkannt und einem wohl lydischen Kontext zugewiesen werden.

 


 

 

Publikationen in Auswahl


Th. Corsten, Die Inschriften von Kibyra, Inschriften griechischer Städte aus Kleinasien 60 (Bonn 2002).

Th. Corsten, Kibyra und Lykien, in: Chr. Schuler (Hrsg.), Griechische Epigraphik in Lykien. Eine Zwischenbilanz, Akten des internationalen Kolloquiums München, 24.–26. Februar 2005, 25. Ergbd. TAM (Wien 2007) 175–181.

Th. Corsten, City and Country in the Kibyratis: A Case Study in Rural Acculturation, in: K. Dörtlük u. a. (Hrsg.), The IIIrd International Symposium on Lycia, 07–10 November 2005, Antalya, Symposium Proceedings I (Antalya 2006) 139–144.

Th. Corsten – Th. Drew-Bear – M. Özsait, Forschungen in der Kibyratis, EpigrAnat 30, 1998, 47–80.

Th. Corsten – O. Hülden – J. Gebauer, Research in the Kibyratis in 2009, AnadoluAkden 8, 2010, 143-147. [PDF zum Download]

Th. Corsten – O. Hülden, Research in the Kibyratis in 2010, AnadoluAkden 9, 2011, 180-183. [PDF zum Download]

Th. Corsten – O. Hülden – J. Gebauer, Research in the Kibyratis in 2011, AnadoluAkden 10, 2012 (im Druck).

K. A. Gay – Th. Corsten, Lycian Tombs in the Kibyratis and the Extent of Lycian Culture, AnatSt 56, 2006, 47–60.

O. Hülden, Bubon. Archäologische Untersuchungen im Stadtgebiet und im Umland, in: Chr. Kokkinia (Hrsg.), Boubon. The Inscriptions and Archaeological Remains. A Survey 2004–2006, ΜΕΛΕΤΗΜΑΤΑ 60 (2008) 133–178. [Rezension: N. P. Milner in: Bryn Mawr Classical Review 2009.09.5]

S. Japp, The Local Pottery Production of Kibyra, AnatSt 59, 2009, 95–128.

Schrift:

Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik
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